Kreuz und Inschrift über dem Humboldt Forum
Das Anbringen von Kuppelkreuz und Inschrift über dem künftigen Humboldt Forum hat den Vorstand der Überparteilichen Fraueninitiative bewogen, eine Stellungnahme an die Vorsitzenden der Ausschüsse für Kulturelle Angelegenheiten und für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung des Berliner Abgeordnetenhauses, sowie an die Staatsministerin für Kultur und Medien und den Berliner Kultursenator zu richten.
Berlin, 15.06.20An die Vorsitzende des Ausschusses für Kulturelle Angelegenheiten des Berliner Abgeordnetenhauses: Frau Sabine Bangert,
An den Vorsitzenden des Ausschusses für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung des Berliner Abgeordnetenhauses: Herrn Dr. Wolfgang Albers,
An die Staatsministerin für Kultur und Medien: Frau Prof. Monika Grütters,
An den Berliner Senator für Kultur und Europa: Herrn Dr. Klaus Lederer
Betr.: Kreuz und Inschrift über dem Humboldt Forum
Sehr geehrte Frau Bangert, sehr geehrter Herr Dr. Albers, sehr geehrte Frau Prof. Grütters, sehr geehrter Herr Dr. Lederer!
Auch wir wussten nicht, dass zusätzlich zu dem Kreuz noch der von Friedrich Wilhelm IV. zusammengestellte Bibel-Spruch am Gebäude des künftigen Humboldt Forums angebracht werden sollte. Das verschärft den schon um das Kreuz entbrannten Konflikt. Es verträgt sich nicht mit der Weltoffenheit, die ein Forum im Namen Humboldts symbolisiert und dürfte die Arbeit derer, die dieses Konzept von Weltoffenheit und Vielfalt im Humboldt Forum umsetzen wollen, erschweren. Und es entspricht auch nicht dem Religions- und Jesus-Verständnis vieler Christinnen und Christen.
Was uns als besonders problematisch erscheint ist, dass es zur Anbringung dieser Inschrift im Vorfeld keinen breiten öffentlichen Diskurs gegeben hat. Das konterkariert das ausgeprägte Bemühen um Partizipation wie wir es z.B. in unserem Engagement für das Sichtbarmachen von Frauen im Berliner Beitrag zum Humboldt Forum erlebt haben. Wir www.berlin-stadtderfrauen.de 2 haben 2018 die Einladung des Kurators Paul Spies zu einem Gespräch mit dem ganzen Kuratorischen Team sehr wertgeschätzt. Es war möglich, Vorschläge einzubringen und zu diskutieren und auf die Forderungen nach Anerkennung der Leistungen von Frauen, die viele
Besucherinnen der Ausstellung „Berlin Stadt der Frauen“, die wir damals mit einer Fragebogen-Aktion begleitet hatten, hinzuweisen. Das Humboldt Forum ermöglichte in seiner Aufbauphase ausgewählte Beteiligungsmöglichkeiten um ein Gesamtkonzept zu entwickeln, das sich den Grundsätzen von Geschlechtergerechtigkeit, Vielfalt und Anti-Rassismus/Anti-Kolonialismus verpflichtet sieht. Keine leichte Aufgabe, die nun gleichsam symbolisch nicht nur unter dem Kreuz, sondern auch unter dieser Inschrift steht. Wir wissen, dass sich auch Politikerinnen und Politiker, z.B. der Berliner Kultursenator, gegen Kuppelkreuz und Inschrift gewandt haben; umso mehr appellieren wir an „die Politik“ insgesamt, das Konzept von Weltoffenheit, Vielfalt und Partizipation des Humboldt Forum demonstrativ zu unterstützen. Es ist zu vermuten, dass angesichts der Finanzierungsstruktur des Humboldt Forums die Inschrift schwerlich wieder entfernt werden kann. Vielleicht gibt es aber außer der geplanten „erklärenden“, kontextualisierenden Ausstellung noch kreative Möglichkeiten der „Einhegung“ dieser Inschrift, etwa im Wechsel auf Vorschlag der Berlinerinnen auch einmal andere, dem angestrebten Geist des Humboldt Forums dann entsprechende, Inschriften/Statements am Gebäude anzubringen; da gibt es gute Beispiele von temporären Leuchtschriften.
Was jetzt aber noch dringlicher gebraucht wird, ist ein offensives, auf die Weiterentwicklung des Humboldt Forums bezogenes Beteiligungskonzept für die Zivilgesellschaft! Es war in der Aufbauphase wohl nicht anders möglich, Partizipation so zu gestalten, dass Kuratoren und Mitarbeiter*innen auf Persönlichkeiten, auf Institutionen/Projekte/Initiativen zugingen oder die sich selber einbrachten. Jetzt aber sollte die Zivilgesellschaft durch ein umfassendes, transparentes Konzept eingeladen werden, Vorschlage für die Weiterentwicklung des Humboldt Forums, für den Umgang mit gesammelten Erfahrungen und Daten und für die Rückkoppelung in die Stadtkultur zu machen.
Kulturelle Stadtentwicklung geht uns alle an!
Mit freundlichen Grüßen
für den Vorstand der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin
Carola von Braun, Uta Denzin von Broich-Oppert, Christel Wietusch
Antworten:
Wir haben Antworten vom Berliner Kultursenator und von dem zuständigen Referatsleiter im Auftrag der Staatsministerin für Kultur und Medien erhalten. In beiden Schreiben wird auf den Bundestagsbeschluss hingewiesen. In beiden Schreiben wird Verständnis für die Kritik an der Errichtung des Kuppelkreuzes geäußert:
Der Berliner Kultursenator weist auf die Einladung zum öffentlichen Diskurs dazu auf der Website des Humboldt Forum hin; dort findet sich unter den Statements auch eines von ihm selbst, indem er Kuppelkreuz und Inschrift, die ja gewissermaßen eine „Überschrift“ des Humboldt Forums darstellen, als falsches Signal empfindet. Der Kultursenator hält über den Diskurs hinaus auch andere Formen, z.B. der künstlerischen Intervention, für denkbar und auch wünschenswert.
Die Kulturstaatsministerin hat sich in der Reihe der Statements positiv zum Kuppelkreuz äußert. Im von ihr beauftragten Antwortschreiben wird jedoch auf die Notwenigkeit der kritischen Kommentierung von Kreuz und Schriftband hingewiesen, die von der Stiftung Humboldt Forum auch vorgesehen sei: „Informationen zur möglichen Einordnung von Kreuz und Schriftband in ihren historischen Kontext werden an geeigneter Stelle im Gebäude für die künftigen Besucher angebracht.“
In beiden Schreiben wird die Wichtigkeit der Einbindung der Zivilgesellschaft bekräftigt.
In dem Schreiben aus dem Hause der Staatsministerin für Kultur und Medien wird die Notwendigkeit betont, Programm und Auftrag des Humboldt Forum insgesamt in der Öffentlichkeit breit zu vermitteln; unser Schreiben mit den Vorschlägen zur Beteiligung der Zivilgesellschaft wurde daher an den Generalintendanten und Vorstandsvorsitzenden der Stiftung Humboldt Forum, Prof. Dr. Hartmut Dorgerloh, weiter geleitet.